Mein Leben als Minus-Mann

Mit meinem Selbstbewusstsein steht es grundsätzlich nicht zum Allerbesten, aber als Segler hatte ich bisher – von kurzzeitigen Tiefs abgesehen – ein positives Selbstbild. Seit diesem Sommer: aus, vorbei. Auslöser war meine Teilnahme am Ladies Day in Rust. Für Nichteingeweihte: Renate Czajka und ihre Mitstreiterinnen (Danke!) hatten vor mehr als einem Jahrzehnt die Idee, eine auf Frauen zugeschnittene, entspannte und doch ernsthafte Yardstick-Regatta zu organisieren. Steuern ist ausschließlich den Ladies erlaubt, maximal ein Mann darf mit an Bord. Für uns Mayrhofers hat sich diese Regatta zum traditionellen Familienausflug entwickelt, wobei das beste Eheweib von allen heuer nach Votum der Töchter – „Mama, du hast nicht die richtige Einstellung und zu wenig Ehrgeiz!“ – durch meine Schwester JDM ersetzt wurde. Was blieb ist die richtige Mischung aus Lockerheit und einem Schuss Adrenalin, die sich auch auf mich übertrug und meinem Grund-Grant gegen Yardstick – mir kommt vor, ich sitze immer am falschen Schiff – wegschwemmte. So weit, so gut.
 Und doch ist seit heuer alles anders. Mir wurde klar, dass ich ein Minus-Mann bin, so steht es auch auf der Ruster Homepage zu lesen: „Ursprünglich sollten nur Damencrews startberechtigt sein. Es zeigte sich jedoch bald, dass die überwiegend männlichen Bootseigner ihre geliebten Schiffe nicht so ohne weiteres den in ihren Augen nicht so geübten Bordfrauen überlassen wollten. Aus diesem Grund wird ein männlicher Teilnehmer an Bord geduldet, der jedoch nicht das Steuer übernehmen darf. Reine Damencrews werden mit einer Zeitvergütung belohnt.“ Männlich-direkt und brutal formuliert: Wenn ich auf meine Sprinto steige, bekomme ich eine Strafe aufgebrummt. 1 Yardstickpunkt weniger, wenn ich das richtig mitgekriegt habe, geduldet als Minus-Mann, die bloße Anwesenheit schon ein Makel. A jeda g’heart zu ana Mindaheit, an jeden geht wos o; a jeda hot a Handicap, an jeden geht’s a so – die Ambros’schen Textzeilen bekommt plötzlich eine neue, persönliche Bedeutung. Als ‚meine Frauen‘ das mitkriegen, wird es spitz: „Da musst aber schon was zeigen, damit wir das ausgleichen, vielleicht wären wir ja ohne Dich besser dran Paps!“ Und so weiter. Alle taktischen Register ziehend (O-Ton einer Tochter: „Ich glaub, der Papa will immer dorthin fahren, wo sonst keiner hinfährt!“) versuche ich mein Bestes. Doch das ist nicht gut genug. Wir werden punktegleich mit einer Peiso 26 Zweite. Statt eines Wellness-Wochenendes in der Linsberg Asia Therme gibt es Handcreme und Schlammpackungen. Mein einziger Trost: Auch das Siegerteam hatte einen Mann an Bord. Nicht auszudenken, wenn ich diesbezüglich unser Abbeißen herbeigeführt hätte. Ich glaub, nächstes Jahr bin ich zur Ladies-Day-Zeit im Ausland. Rein zufällig natürlich.

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Zwischen Scylla und Charybdis

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Alles andere ist primär