Vorbild Wal
Kommt bald Kunstschleim statt Antifouling als Unterwasserschutz?
Algen, Muscheln, Seepocken – der Bewuchs am Unterwasser macht Yachties das Leben schwer. Nun hat eine Forschergruppe um Rahul Ganguli in Kalifornien ein völlig neues Konzept erdacht, bei dem man sich an der Haut des Grindwals orientierte: Eine Art sich selbst erneuernder Schleimüberzug für Schiffsrümpfe, der Bakterien- und zu verhindern soll.
Das Konzept des Teams von der Technologie-Firma Teledyne Scientific im kalifornischen Thousand Oaks sieht einen zweischichtigen Aufbau vor: ein Röhrensystem, das die Rumpfoberfläche überzieht, und ein darüber gelegtes engmaschiges Stützgitter aus Metall. Die eigentliche Schleimschicht bildet ein Gel, das über die Röhren in die Zwischenräume der Metallkonstruktion läuft und bei Kontakt mir Meerwasser zähflüssig wird. Die etwas weniger als einen Millimeter dicke Schicht löst sich mit der Zeit auf und wird schrittweise durch nachlaufendes Gel ersetzt. Anhaftende Mikroorganismen und organische Moleküle werden so immer wieder fortgeschwemmt.
In der jetzt veröffentlichten Studie bedeckten die Wissenschaftler ein knapp 40 Quadratzentimeter großes Metallstück mit Gel und Drahtgitter und siedelten darauf Bakterien der Art Pseudoalteromonas carrageenovora an. Der Einzeller gehört zu jenen Mikroorganismen, die den Unterwasserteil von Schiffsrümpfen mit einem Biofilm überziehen und damit die Voraussetzung für eine spätere Besiedlung mit Algen, Muscheln und Seepocken schaffen. Verglichen mit einer unbehandelten Metallplatte zeigte sich nach 26 Tagen in künstlichem Seewasser ein mehr als hundert Mal geringerer Befall durch P. carrageenovora.
Auf die Idee einer verschleißbaren Kunsthaut kamen die Forscher durch Untersuchungen am Grindwal (Globicephala melas). Auf der Haut des zu den Delfinen zählenden Tiers sitzen Nanometer große Zacken und Rillen, die ein Gel festhalten. Darin angereicherte Enzyme können Algen und Bakterien abwehren. Daneben bietet aber wohl auch die Struktur der Haut selbst einen wirksamen Schutz: In den winzigen Unebenheiten können sich keine Mikroorganismen einnisten. Auch dieses Prinzip einer Nanostruktur, welche die Biofilmbildung rein mechanisch verhindert, erproben Forscherteams als Schutzschicht für Rümpfe. Darüber hinaus gibt es Überzüge auf Silikonbasis, die Vorläufer des Anwuchses abstreifen können. Sie würden allerdings nur funktionieren, so Ganguli, wenn die damit bestrichenen Schiffe zügig Fahrt machen. Andernfalls reichen die an der Grenze zum Wasser auftretenden Kräfte nicht aus.
Der Kampf gegen die auch "Fouling" genannte Besiedlung des Rumpfes führt zu hohen Kosten in der Schifffahrt. Wird der Belag nicht regelmäßig im Trockendock entfernt, macht er das Schiff schwerer und erhöht den Strömungswiderstand. Das einzige probate Gegenmittel - als Anstrich großflächig eingesetztes Tributylzinnhydrid (TBT) - wurde im Jahr 2003 verboten, als offenbar wurde, dass sich das Gift schädlich auf das marine Ökosystem auswirkte. Seitdem suchen Entwickler verstärkt nach Alternativen.
Bei den Experimenten mit der Kunstschleimschicht erwies sich unter anderem eine kommerzielle Substanz als brauchbar, die für die Erdölförderung entwickelt wurde. Dort soll sie etwa in Bohrlöchern die Viskosität des Wassers erhöhen. Nach Aussage von Ganguli stellt sie keine Gefahr für das Ökosystem dar.
Fazit: Ein faszinierender Ansatz, der natürlich primär für die kommerzielle Schifffahrt gedacht ist. Aber wenn’s funktioniert, werden wohl irgendwann auch Segelyachten damit ausgestattet werden können.