Ans Ende der Welt
Wilder Süden. Eine österreichische Crew segelte auf den Spuren von Ferdinand Magellan und Charles Darwin von Uruguay bis zum Kap Hoorn
Visionär. Magellan war auf der Suche nach einem Seeweg über die Westroute nach Indien. Seine Flotte fand ihn, allerdings unter unmenschlichen Strapazen
Im August 1520 löste eine Flotte von fünf Schiffen unter dem Generalkommando des Portugiesen Ferdinand Magellan in Sevilla die Leinen, um eine Passage zu den Molukken im fernen Osten zu finden und vollbeladen mit Nelken, Muskat und anderen Gewürzen zurückzukehren. Das waren außerordentlich begehrte Luxusgüter in jener Zeit, die in Spanien zu horrenden Preisen verkauft wurden; importiert entweder von islamischen Händlern über die Seidenstraße oder von portugiesischen Seefahrern, die rund Afrika segelten. Doch die Spanier wollten den Profit lieber selbst einstreifen. Dazu brauchte es einen westlichen Seeweg, und Magellan war überzeugt, diesen zu finden. Daher finanzierte der junge spanische König Karl I. die oben genannte Flotte mit rund 265 Mann Besatzung. Als Entlohnung winkten ihnen Gewinnbeteiligung, Anteil an zukünftigen Steuereinkünften aus den entdeckten Gebieten sowie die Aussicht, in die oberste Schicht der Gesellschaft aufzusteigen; die christliche Heilsgeschichte lieferte für die Unterwerfung der Welt die Rechtfertigung.
Die abenteuerliche Reise dauerte drei Jahre und stellte die erste Weltumsegelung der Geschichte dar, wobei nur ein einziges Schiff mit einer Besatzung von 17 Mann heimkam. Mit der Expedition wurde endgültig bewiesen, dass die Erde eine Kugel ist, man gewann Erkenntnisse zur Zeitverschiebung, und die Globalisierung nahm ihren Anfang. Magellan selbst überlebte diese Reise nicht. Er wurde auf den Philippinen im Kampf gegen Einheimische getötet.
Wir starten unsere Segelreise im Oktober 2023 auf dem Expeditionsschiff Santa Maria Australis (siehe auch Kasten auf Seite 107) im Hafen von Piriápolis, in der Nähe von Montevideo an der Mündung des Río de la Plata in Uruguay. Der riesige Mündungstrichter ist 160 Seemeilen lang, Magellan vermutete anfänglich hier die Durchfahrt von Ozean zu Ozean. Heute ist die Bucht dicht besiedelt. Allein Buenos Aires hat 13 Millionen Einwohner. Mit 25 Knoten bläst uns der Westwind südwärts, zu den brüllenden Vierzigern und wütenden Fünfzigern. In diesem Starkwindgürtel toben regelmäßig Stürme mit mehr als 100 km/h, dazu kommen Wellen in der Höhe mehrstöckiger Häuser, Kälte, Regen und Nebel. Besonders gefürchtet ist der Pampero mit seinen orkanartigen Böen. Doch wir haben Glück: Lediglich zwei Tage lang fegt ein eisiger Südwind mit 30 Knoten über uns hinweg und wir bewältigen die 1.300 Seemeilen zum Kap der 11.000 Jungfrauen am 52. Breitengrad in nur 14 Tagen. Magellans Flotte hatte für diese Strecke mehr als sieben Monate benötigt. Zahlreiche Matrosen wurden dahingerafft oder verloren ihr Leben bei einer niedergeschlagenen Meuterei. Ein Schiff war untergegangen, ein anderes verschollen. Dass die Expedition dennoch nicht scheiterte, sondern Magellan die Meerenge bei 52 Grad Süd fand und durchfuhr, gilt für die Nachwelt als ruhmreiche Tat und der Portugiese als Held der Geographie. Stefan Zweig verherrlichte den Generalkapitän gar als den größten Seefahrer der Geschichte.
Verbindung von Atlantik und Pazifik
Wir sind in den beiden Engstellen der Magellanstraße mit gewaltigen Tiden bis zu zehn Meter und entsprechenden Gezeitenströmen konfrontiert. Durch die erste Engstelle machen wir mit voller Motorkraft gerade mal zwei Knoten Speed, vor der zweiten Engstelle braut sich ein gewaltiger Sturm zusammen und wir lassen in Puerto Sara den Anker fallen. 70 Knoten Wind reißen an der 120 Meter langen Kette, das Schiff krängt ächzend bis zur Bordkante. Was für ein Glück, dass uns der Sturm nicht auf See erwischt hat. Am nächsten Morgen rauschen wir mit der Flut durch und erreichen Punta Arenas, die südlichste Großstadt der Welt, gegründet rund 330 Jahre nachdem Magellan hier vorbeigesegelt war. Vor dem Bau des Panamakanals mussten alle Schiffe die Stadt passieren, wenn sie nicht um das sturmgepeitschte Kap Hoorn segeln wollten. Steinkohle- und Goldvorkommen zogen Abenteurer und skrupellose Unternehmer an. Seefahrer, Schafzüchter, Walfänger und Einwanderer aus aller Herren Länder nahmen die Stadt in Besitz.