So sehen Sieger aus
TOR Europe. Der Franzose Paul Meilhat hat als Skipper von Biotherm alles richtig gemacht, gewann er doch vier von fünf Etappen und stand vorzeitig als Gewinner der Regatta rund Europa fest. Judith Duller-Mayrhofer fasst zusammen, auf welchen Säulen dieser Erfolg basiert
Erfolgskonzept. Das Design der Biotherm erwies sich als optimal für die Bedingungen bei dieser Regatta, ein neuer Satz Foils brachte zusätzliche Power
Fünf Wochen, 4.500 Seemeilen, sieben Teilnehmer – und ein überragend agierendes Team. Das ist die Bilanz von TOR Europe, jenem Ableger der um die ganze Welt führenden Regatta The Ocean Race, die heuer zum zweiten Mal über die Bühne ging. Schon vor der abschließenden Inshore-Wettfahrt in der montenegrinischen Boka Bay, bei der ein letztes Mal die volle Punktzahl vergeben wurde, gab es am Gesamtsieg von Biotherm nichts mehr zu rütteln, und nachdem die Truppe rund um Skipper Paul Meilhat auch dieses Rennen gewonnen hatte, fand sich Biotherm mit 48 von 52 möglichen Punkten und einem Vorsprung von satten 15 Punkten auf das zweitplatzierte Team Paprec Arkéa an der Spitze der finalen Ergebnisliste (siehe auch Kasten unten).
War dieser Sieg zu erwarten?
Auf den ersten Blick eher nicht. Paul Meilhat ist zwar seit 2015 in der IMOCA-Klasse aktiv und damit durchaus ein alter Hase, er gilt aber nicht unbedingt als Siegläufer und seine Kampagne als chronisch unterfinanziert. Zweifel wurden im Vorfeld auch an seiner im Sommer 2022 vom Stapel gelaufenen Yacht laut. Sie hat zwar noch nicht so viele Jahre auf dem Buckel, wurde aber nach einer alten Form gebaut und gehört damit – im Gegensatz zu den meisten Kampfgeräten seiner Gegner – zur veralteten vorletzten Generation.
Der zweite Blick zeigt bei Mensch und Material ein differenzierteres Bild. Das „altmodische“ Design aus dem Hause Guillaume Verdier erwies sich bei den vorherrschenden leichten Winden und der weitgehend flachen See als besonders schnell und wendig, während die brandneuen, für ausgedehnte Passagen im rauen südlichen Ozean optimierten Yachten, etwa von Paprec Arkéa oder Allagrande Mapei Racing, mangels langer Vorwind-Strecken kaum Gelegenheit hatten, ihre Vorzüge auszuspielen. „Unsere Biotherm ist für genau diese Art von Rennen konzipiert und das hat uns natürlich geholfen“, analysierte Meilhat im Nachgang freimütig. Dass die Yacht nach einer Kollision im Rahmen der Transat CIC (einer Solo-Regatta von Lorient nach New York, die im Frühjahr 2024 über die Bühne ging) mit einem neuen, dem aktuellen Standard entsprechenden Satz Foils ausgestattet werden musste – finanziert übrigens über einen Privatkredit –, hat natürlich auch nicht geschadet.
Unter Druck zu Höchstform
Mindestens genauso wichtig wie die gute Bootsperformance war die logistische und mentale Herangehensweise an dieses Rennen. Während die Konkurrenten das TOR Europe durchwegs als Nebenschauplatz ihrer jeweiligen IMOCA-Kampagne betrachteten, hat Meilhat so gezielt wie kein anderer auf genau dieses Event hingearbeitet. Er räumte der Bündelung seiner Kräfte oberste Priorität ein und verzichtete deshalb heuer auch auf die Teilnahme an weiteren IMOCA-Regatten. Zudem absolvierte die Biotherm-Crew wenige Wochen vor dem Start in Kiel einen intensiven Trainingsblock in Schweden, um sich mit den Verhältnissen in der Ostsee vertraut zu machen und von Anfang an voll leistungsfähig zu sein.