"Pässe, bitte!"

Der elfte Wharram Wanderbrief, verfasst in Roseau, Dominica, wo man den Internetconnect ein bisserl länger suchen muss

Der Friess Andi hat seine Chance: Zirka 15 Sekunden lang reißt der Wolkenschleier um den Mont Pelee auf und endlich erblicken wir die Bergspitze.
Zwei Tage lang haben wir von unserem Ankerplatz vor St. Pierre, Martinique, auf die kompakte Wolke um den Gipfel geschaut und uns gefühlt wie die Universum-Kameraleute, die monatelang als Bambusgestrüpp getarnt in einem Ameisenhügel liegen und warten, bis die Pandabären endlich schnackseln: “ Gleich… nein, doch nicht… - aber jetzt reißt die Wolke auf… nein, wieder net… - aber morgen sicher!“
Jetzt macht der Friess Andi KlickKlickKlick und dann rate ich im, seine Kamera wegzupacken, weil demnächst sind wir im Pass.

Aber bevor wir zu den karibischen Inselpässen kommen, lasst uns über den Pelee reden. Er, der vermutlich bestaussehende Killer französischer Nationalität seit Alain Delon.
Von Beruf ist der Pelee Berg, von Berufung ist er Vulkan, und St. Pierre, das an der Ostküste von Martinique zu seinen Füßen liegt, nannte man einst das Paris der Karibik. Bis eines schönen Tages, 1906 war es, der Pelee sich hörbar räusperte, die Behörden aus Sorge um die Wahlbeteiligung bei den bevorstehenden Kommunalwahlen den besorgten Bürgern versicherten, dass alles in bester Ordnung sei, und drei Tage später, gegen acht Uhr Früh, eine so genannte pyroklastische Eruption das Wahlvolk in Sekundenschnelle von über 20.000 BürgerInnen auf gezählte zwei Überlebende reduzierte – und davon war einer ein Häfenbruder.

Was vom alten St. Pierre übrigblieb, kann man jetzt in einer einstündigen Rundfahrt abhaken, und das neue St. Pierre ist ein verschlafenes 4000 Seelen-Dorf in einer windstillen Bucht. Wir haben dort ein bisserl abgehangen. Und dann war es Zeit für den Pass.

Und damit sind wir bei den nautischen Sehenswürdigkeiten, die euer Reiseführer wahrscheinlich zu erwähnen vergessen hat: Den karibischen Inselpässen. Das sind 20 bis 30 Meilen breite Lücken zwischen den einzelnen Karibikinseln. Wer zur nächsten Insel will, muss wohl oder übel drüber und wer zur Seekrankheit neigt, wird dabei jedenfalls übel drauf sein.

Es ist nämlich so, dass in diese Pässe die Atlantikwelle ungebremst hineinrauscht. Der Passatwind auch. Beide pflegen sich in eleganten Kurven um die Inselspitzen herumzudrehen. Was zur Folge hat, dass jede, wirklich jede Überfahrt mit 4 bis 7 Windstärken samt entsprechender Welle direkt auf die Schnauze beginnt. Bis man in der normalen Welle und den normalen Winden angekommen ist, hat es einem die Füllungen aus den Zähnen geklopft und das Hirn weichgehämmert, während einen das überkommende Wasser eingesalzen hat wie einen Hering.

Zum Drüberstreuen werden dann an guten Tagen auch noch Black Squalls geboten. Das sind Passatwolken mit schmutziggrauer Unterseite, aus denen nicht selten ein Regenschleier hängt. Black Squalls addieren für fünf bis 10 Minuten runde zwei Windstärken zum vorhandenen Grundwind: Was vorher vier war, ist plötzlich sechs, was vorher sechs war, ist plötzlich acht, und deshalb finden sich in den Boatyards prominenter Karibikhäfen auch so erstaunlich viele halbierte und gedrittelte Yachtmasten.

Wir haben uns einen guten Tag für den Sprung nach Dominica ausgesucht: Vier bis fünf Beaufort Grundwind aus Ost, Welle zweieinhalb Meter, Wellenintervall 10 Sekunden. Reine Seide im hellen Sonnenschein, aber eine teure Kamera sollte man trotzdem nicht an Deck herumliegen lassen.

Sechs Stunden nach dem Ankerauf in St. Pierre fällt das Eisen in die Bucht von Roseau, der Hauptstadt von Dominica. Und wie es uns dort ergangen ist - das steht im nächsten Blog.

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