Je suis Boris & Ben

Ich bin mittendrin. Dank technologischem Fortschritt ist das zumindest mein Eindruck bei den gerade laufenden Großereignissen im Segelsport, Vendée Globe und America’s Cup. Klar, nüchtern gesehen bin ich ein fauler couch potatoe – aber wie gesagt mittendrin und nicht nur dabei.

Bei der Solo-Nonstop-Regatta rund um die Welt fasziniert mich zweierlei besonders. Zum einen ziehen mich die Video-Feeds direkt von Bord in ihren Bann. Mein Hero ist Boris Herrmann auf seiner für den Yacht Club Monaco startenden Sea Explorer, von der fast täglich Videos in guter Qualität geliefert werden. Boris gewährt Einblicke in den aktuellen Zustand seiner Seele, zeigt die Weiten des Southern Ocean, erläutert an Tag 53 die Schwierigkeiten beim Tausch eines defekten Elektromotors für den Kieltrimm oder informiert über seine wissenschaftlichen Arbeiten während dieser Regatta, wie etwa das Sammeln von Meerwasser-Proben über einen SubCTech ocean sensor. Zum anderen haben es mir die Meteorologen angetan, die die Routenentscheidungen erläutern. Ihre Videos auf YouTube haben den Begriff „Winddrehung“ für mich neu definiert. Damit ist nicht mehr der 20-Grad-Kipper bei pendelndem Nordwest gemeint, sondern es geht um gerade entstehende Tiefdruckgebiete und ihre Nutzung, um die durch Coriolis-Kraft in der Nord- und Südhalbkugel jeweils unterschiedlichen Ablenkungen und vieles mehr.

Noch viel näher dran bin ich dank modernster Technologie beim America’s Cup. Ähnlich wie bei der letzten Auflage, aber noch ausgefeilter mit unterschiedlichen Onboard- und Außenkameras sowie live Audio-Feed gibt man mir fast das Gefühl, Teil der Crew zu sein. Die Gespräche zwischen Taktiker und Steuermann, das kommunikative Abwägen zwischen verschiedenen Optionen, die Kommandos („board down“; „3-2-1-going up“), die spektakuläre Kenterung des US-amerikanischen Teams, die Verwandlung des in der vorweihnachtlichen Proberegatta weit abgeschlagenen britischen Teams unter Sir Ben Ainslie in den unangefochtenen Seriensieger bei den Round Robins – all das lässt meinen Adrenalinpegel am anderen Ende der Welt körperlich spürbar steigen.

Man kann die Technologisierung des Segelsports aus guten Gründen kritisieren – teuer, Maschine vor Mensch etc. Aber eines ist auch gewiss: sie ermöglicht neue Blicke auf den Sport, den wir lieben.

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