„Alles ist noch extremer!“

Ein Ingenieur von BMW Oracle spricht über den Mega-Tri für den America’s Cup

Der Tri von BMW Oracle ¿ eine Herausforderung für das Designteam

Der Tri von BMW Oracle ¿ eine Herausforderung für das Designteam

Der gebürtige Deutsche Thomas Hahn ist Luft- und Raumfahrt-Ingenieur und arbeitet seit mehr als zehn Jahren für BMW. Seit 2004 bringt er sein Know-how in das BMW ORACLE Racing Design-Team ein, sein Spezialgebiet ist die Strukturanalyse und die Optimierung der Rumpfstruktur. Zudem ist er verantwortlich für die Koordinierung der Fertigung von Kiel- und Ruderkomponenten. Im folgenden Interview erzählt er über das spannendeste Projekt seiner Karriere.

Die Designarbeit für diesen America's Cup muss für jeden Designer und jeden Ingenieur ein wahr gewordener Traum sein – Sie hatten quasi einen Freibrief. Wie geht man ein derart offenes Projekt an?
Schon als ich beim letzten Mal die Welt des America's Cup betreten habe, dachte ich, das hier ist der Designer-Himmel. Aber was wir nun tun, ist unglaublich. Es ist großartig.
Unser Team hatte einige Vorteile, die uns das Leben leichter gemacht haben. Zum einen hatten wir unsere französischen Mehrrumpf-Experten, die wahnsinnig viel Erfahrung mit allem hatten, was mit Multihulls zu tun hat: Konstruktion, Segeln, was auch immer, sie wussten Bescheid. Zudem konnten wir unsere Ingenieurssysteme und –werkzeuge einsetzen, die aus der Automobilindustrie stammen, und die wir seit 2003 für den Bootsbau angepasst haben. Und drittens hat uns unser Expertenwissen bei der Strukturanalyse geholfen, einige recht gute Entscheidungen zu treffen. Dies alles hat uns bei diesem riesigen Ingenieur-Projekt geholfen.

In welchen Bereichen ist die BMW Expertise auf die Design-Herausforderungen des 33. America's Cup übertragbar?
Dies ist vergleichbar mit dem letzten Cup: Das wichtigste Know-how, das wir einbringen, bezieht sich auf die Leichtbauweise. Wir wollen ein leichteres und dennoch verwindungssteiferers Ergebnis erzielen. Gewicht spielt eine Schlüsselrolle. Je leichter die Yacht bei gleichem aufrichtenden Moment ist, desto schneller ist sie.

Während des 32. America's Cup haben Sie gesagt, „diese gewaltigen Kräfte in den Griff zu bekommen“, sei eine der größten Design-Herausforderungen. Nun sind die Kräfte noch einmal deutlich größer. Wie lösen Designer, Ingenieure und Bootsbauer dieses Problem?
Kann ich dieses Zitat nachträglich korrigieren? Ich dachte damals, das sei gewaltig, aber diesmal ist es noch viel extremer. Wir haben es mit enormen Druckkräften zu tun, um die 100 Tonnen. Das ist eine Größenordnung, die man kaum fassen kann. Man hat diese Zahlen auf dem Papier stehen und denkt: „Wir reden hier von dem Gewicht von fünf großen LKW, das auf einer kleinen Tasse lastet, und wir müssen das jetzt hinkriegen.
Als Ingenieur muss ich sagen: Als wir dieses Boot und die dazu gehörigen Zahlen auf dem Computerbildschirm sahen, erschien es uns unrealistisch – bis wir die fertige Yacht gesehen haben. Beim Segeln habe ich gewaltigen Respekt vor dem Boot, denn wir Ingenieure wissen, welche Kräfte und welchen Druck es aushalten muss.
Wir waren bei der Konstruktion sehr, sehr vorsichtig. Die Menschen auf dem Boot könnten großen Schaden nehmen, wenn etwas schief gehen würde. Dies ist eine große Verantwortung, es könnte sehr gefährlich werden, wenn man nicht aufpasst. Es ging also darum, bei aller Begeisterung für das Projekt den Respekt vor den wirkenden Kräften nicht zu vernachlässigen.

Wie haben Sie sich gefühlt, als die Yacht erstmals segelte?
Beim ersten Segeln hab ich den ganzen Tag Belastungsmessungen gemacht und war daher sehr angespannt. Aber am Ende des Tages realisiert man, dass man als Struktur-Ingenieur nun fast am Ende seiner Arbeit ist. Und es ist eine große Erleichterung wenn man sieht, dass alles so funktioniert, wie geplant.

Was nehmen Sie von diesem Projekt mit zu BMW? Haben die Erfahrungen Sie zu einem noch besseren BMW-Ingenieur gemacht?
Zunächst unterscheiden sich diese Ingenieurstätigkeiten überhaupt nicht von dem, was wir bei BMW tun. Trotzdem habe ich auch in diesem Projekt viel gelernt. Ich denke, der größte Gewinn war es, in einem großartigen Team aus lauter Experten auf ihrem Gebiet im Rahmen eines sehr, sehr engen Zeitplans gearbeitet zu haben.
Ein wichtiger Faktor dieses Projekts war es, sehr schnell Lösungen zu finden. In der Automobilindustrie gibt es womöglich Bereiche, in denen wir schneller werden können. Die Entwicklungsdauer – das Produkt so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen – ist eine der größten Herausforderungen unserer Branche. Und der Zeitfaktor war bei diesem Projekt sehr wichtig.

www.bmworacleracing.com

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