Wetterfenster
Seit wir segeln, beschäftigen wir uns mit dem Wetter. Versuchen es zu deuten, zu verstehen, zu lesen. Vor jedem Törn informieren wir uns über Wind- und Wellenverhältnisse. Hypnotisieren Wetterkarten wie die Hellseherin ihre Kristallkugel. Wollen in die Zukunft schauen. Doch Wetterprognosen sind nichts anderes als Computermodelle und die ändern sich gerne. Oft driften Erwartung und Realität weit auseinander. Wir scharren am nördlichen Zipfel von Neuseeland in den Startlöchern und wollen nach Fidschi, 1.200 Seemeilen entfernt. Die Schwierigkeit dabei: Auf der Südhalbkugel steht der Winter vor der Tür, und in der Tasmansee brodelt ein Tief nach dem anderen. Jedes sich scheinbar öffnende Wetterfenster fällt ein paar Tage später wieder zu. Geduld ist also gefragt und die zählt nicht unbedingt zu unseren Stärken.
Wetterfenster – ein Wort, das ich zu Beginn meiner Segelkarriere vor 36 Jahren gar nicht kannte. Damals lösten wir die Leinen, wenn die Windrichtung passte und die Sonne schien. Wetterberichte lasen wir in der Tageszeitung oder hörten sie im Radio. Wahrscheinlich waren wir auch unbekümmerter, naiver. Oder der Wind nicht so unberechenbar wie heute. Wetter ist letztlich nur atmosphärische Bewegung, ein dreidimensionaler Kreislauf, der Ungleichgewicht nivelliert, indem Energie rund um den Globus verteilt wird. Trotzdem drehen sich derzeit alle Gespräche unter den Seglern ums passende Wetterfenster. Jeder schustert sich seine Theorie zurecht, jeder interpretiert Gribfiles anders. Der eine prophezeit günstige Bedingungen, der andere würde bei ebendiesen nie losfahren. Nichts ist klar, alles möglich. Gehen oder bleiben? An so manch kaltem Regentag in diesem bizarren Wunderland auf der anderen Seite des Planeten frage ich mich: Warum reisen wir nicht mit dem Rucksack, wie Millionen andere Menschen auch? Oder in einem Camper mit Lichterkette? Es könnte so einfach sein. Aber von einfach ist im Bootsleben selten die Rede.