AC, offener Brief von Bertarelli

Ernesto Bertarelli legt schriftlich dar, was er sich für die Zukunft des America’s Cup wünscht

Den Prozess in New York hat Alinghi bekanntlich verloren, danach übte sich das Schweizer Syndikat in Schweigen. Nun ging Präsident Ernesto Bertarelli mit einem Brief an die Öffentlichkeit – hier sein Wortlaut:

„Seit Alinghis erfolgreicher Verteidigung des America’s Cup im Juli haben viele Leuten viel gesagt, und ich möchte meine persönliche Leidenschaft, meine Vision des America’s Cup zum Leben zu erwecken, erklären.
Als ich Alinghi gründete, ging es darum, ein Team zu erschaffen, um die Faszination Segeln über jeden verfügbaren Kanal einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Wir versuchten, die Dinge mit einer neuen, offenen Art anzupacken. Dass wir einen Teil unserer Basis für die Öffentlichkeit zugänglich machten, ist nur ein Beispiel für die vielen Innovationen, die Alinghi in den America’s Cup gebracht hat. Ich glaube, dass dieser Ansatz zu unserem Erfolg 2003 in Neuseeland beigetragen hat.
Mit der Verteidigung des Cups haben wir die Gelegenheit bekommen, diesen Geist mit dem ganzen Anlass zu teilen. Als wir begannen, haben wir eine klare und innovative Strategie definiert, deren Fokus auf der Wahl des Austragungsortes, dem Aufbau eines speziell auf den Anlass ausgerichteten Hafens, auf dem America’s-Cup-Park und auf den Acts lag – das alles war Teil unserer Vision, den Event möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.
Mehr als sechs Millionen Menschen besuchten den Event, der erstmals Syndikate von fünf Kontinenten vereinte. Über das Fernsehen wurden mehr als vier Milliarden Zuschauer erreicht.
Es gab viele Stimmen, welche die Acts, die Wahl des Austragungsortes, die Fernsehübertragung etc. vehement kritisierten, aber die Fakten belegen, dass der 32. America’s Cup ein positiver Wendepunkt war für diesen historischen Event.
Während ich die faszinierenden Aspekte des America’s Cup sah, wurden mir gleichzeitig auch seine Schwächen bewusst. Das unsicherere Format des Anlasses bedeutete, dass Teams – und die ganze America’s-Cup-Gemeinschaft – über den nächsten Cup hinaus keine Zukunft hatten. Dass führt dazu, dass Teams nur einen Zyklus überleben und dass sich der ganze Anlass alle drei bis fünf Jahre neu erschaffen muss. Das wiederum führt zu einem bedeutenden Anstieg der Kosten und macht es schwierig, langfristige Sponsoren zu verpflichten.
Das Konzept für die 33. Austragung sah vor, den Organisatoren die Möglichkeit zu geben, ohne unnötige Hürden weitere Innovationen umzusetzen. Der Vorschlag, die neue AC90-Klasse mit der Ein-Boot-Regel in einem Zweijahres-Zyklus zu realisieren, ist eine zentrale Massnahme, um die Kosten im Griff zu behalten und gleichzeitig die Attraktivität weiter zu steigern, und durch die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur in Valencia hatten wir eine ideale Plattform, um das Momentum aufrechtzuerhalten. Damit hätte der Event weiter gedeihen können und für die Organisatoren wären höhere Einkünfte entstanden, die sie mit den Teams teilen können.
Die jüngsten Ereignisse in den New Yorker Gerichten und die Entscheidung des Richters, dass der CNEV nicht rechtmässig sei, weil er seine Regatta nicht zur rechten Zeit abgehalten habe, zeigen die Achillesferse des Events auf und man sieht, wie er durch Handlungen einzelner destabilisiert werden kann. Wie bereits im Jahr 2003 wurde unsere Vision wiederum von jenen kritisiert, die Veränderungen zurückhaltend gegenüber stehen. Ich halte mich an eines der Prinzipien des Cups: Der Treuhänder und Halter hat, gemeinsam mit dem Titelverteidiger, die Verantwortung über die Führung des Events und darüber, Massnahmen zu implementieren, die es dem Anlass ermöglichen, weiter zu gedeihen.
Im Hinblick auf die Zukunft und nach dem Studium der Regeln des Cups habe ich gesehen, dass die Deed of Gift nicht aktiv Parität für die Teams und eine langfristige Zukunft des Anlasses fördert.
Im Oktober dieses Jahres reiste ich nach New York, um den Dialog mit dem New York Yacht Club aufzunehmen. Ich wollte sehen, wie viel Enthusiasmus und Bereitschaft bestand, den Anlass auf das heutige Sportumfeld anzupassen. Denn die Deed of Gift wurde ja vor 150 Jahren im NYYC verfasste und man konnte nicht vorhersehen, wie sich die Welt verändern würde. Ich rechnete nicht damit, die Diskussionen schnell abzuschliessen, aber ich war sehr erfreut, als Charles Townsend, der Commodore des NYYC, und George W. Carmany III, der Vorsitzende des America’s-Cup-Komitees des NYYC, meine Ansichten teilten.
Man kann sagen, dass der 33. America’s Cup alles andere als gut gestartet ist, und ich habe den Wunsch, das wieder in Ordnung zu bringen. Am schnellsten wäre dieses Ziel erreicht, wenn der Golden Gate Yacht Club und die Société Nautique de Genève mit dem New York Yacht Club zusammenarbeiten würden, um die Deed of Gift zu überarbeiten und sie auf die heutigen Gegebenheiten anzupassen, ohne dabei das zu verlieren, was den America’s Cup einzigartig macht. Innerhalb dieses Prozesses bin ich gerne bereit, bei einigen der Rechte des Titelverteidigers Kompromisse zu machen, um das zu erreichen, was für den Event am besten ist.
Ich möchte in diesem Sinne folgende Fragen aufwerfen:
- Sollte der Titelverteidiger automatisch für den finalen AC-Match qualifiziert sein oder sollten alle Teams mit den gleichen Bedingungen starten.
- Sollten der Zeitplan der Austragungsorte und der Inhalt der Regeln mehrere Zyklen im Voraus bekannt gegeben werden, um eine frühzeitige Planung und Finanzierung zu ermöglichen?
- Sollte die Führung des Cups permanent sein und von Instanzen geleitet werden, welche vergangene und aktuelle Treuhänder sowie teilnehmende Teams repräsentieren?

Über das Wochenende habe ich mich lange mit Larry Ellison unterhalten, um unseren Vorschlag zu erklären, und ich freue mich, dass er den Prinzipien in den vorgeschlagenen Änderungen sehr positiv gegenüberstand.
Basierend auf diesen Prinzipien ist es meine Absicht, auf einen überarbeiteten America’s Cup in Valencia hinzuarbeiten, der mit der Sicherheit gesegelt werden kann, dass der Anlass nicht gestört werden kann, nur um individuelle Anforderungen zu erfüllen, die jenen schaden, die willig und fähig sind, am Wettkampf teilzunehmen.
Wenn diese Revision der bestimmenden Dokumente des America’s Cup nicht erreicht werden kann, werden wir die Herausforderung des GGYC nach der Deed of Gift akzeptieren müssen.“

Starker Tobak!

Copyright: Ivo.Rovira/Alinghi

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