Hanakamp segelt erstmals VO70-Yacht

Andreas Hanakamp hatte erstmals eine VO70-Yacht unterm Hintern – hier sein Erfahrungsbericht

Das russische Syndikat, das Andreas Hankamp ins nächste Volvo Ocean Race skippern wird, läuft wie auf Schienen. Letzter Coup: Man mietete die Black Pearl, auf der Paul Cayard und das von Disney-Film gesponserte Team Pirates of the Caribbean das letzte VOR bestritten hatten. Hanakamp segelte die Yacht von England über Hamburg und Helsinki nach St. Petersburg, sie soll zunächst Präsentationszwecken, später dem Crewtraining dienen.
Seine Eindrücke von der Yacht schildert Hanakamp in einem sehr persönlichen Bericht, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten:

Wie segelt sich eine VO70 Yacht? Gleich vorweg genommen, sie ist auch nur ein Segelboot. Schoten dicht, Ruder festhalten und es fährt. Ich muss leider alle enttäuschen, die wochenlang Michael (Woods) und mir erklären wollten, wie kompliziert es ist, dass man das nur mit Hilfe vieler Profis schafft, man ja keine Ahnung davon haben kann, wenn man nicht mindestens die Welt damit umrundet hat, und so weiter. Wir konnten es nicht mehr hören und mein Verdacht, dass es so kompliziert nicht sein kann, hat sich in den ersten Minuten an Bord erhärtet und nach 1200 Meilen am Weg von Südengland nach St. Petersburg bestätigt.
Wahr ist jedoch, welch unglaubliche Segelboote VO70 Yachten sind. Beim Auto ist es jedem klar und nachvollziehbar, viele PS, ein gutes Fahrwerk und ausgefeilte Aerodynamik machen ein Auto schnell. Auf VO70 übersetzt heißt das, ein leichtes Schiff (ca 14 t), viel Stabilität (7 t Kippkiel) und viel Segelfläche (275 m2 am Wind). Ohne auch nur ein exotisches Segel anzurühren (Code 0, Gennaker, Reacher) sondern nur mit Groß und nicht überlappender Genua fährt das Schiff mindestens Windgeschwindigkeit, oft auch darüber. Zuverlässig getestet haben wir das allerdings nur bis 24 kn Wind, mehr hatten wir noch nicht. Wer sich noch an Vektorrechnung erinnern kann, kommt nun zu dem richtigen Schluss, dass der Wind von deutlich vorlicher als querab kommen muss, wenn ein Schiff so schnell segelt. Tut er auch und nimmt damit jede Menge Wasser mit auf den Weg über das Schiff, so wie in den richtig wilden Segelvideos. Außerdem nimmt der Wind ziemlich zu und bläst einem schon bei moderaten 2 Windstärken scheinbar (und damit tatsächlich) mit 4 ins Gesicht.
Das Befahren von unebenem Wasser, also Wellen mit einem VO70: Gegen die Wellen knallt es noch mehr als mit einer aus „weicher“ Kevlar Faser gebauten VO60 Yacht, es lebt sich wie in einer Karbon-Trommel. Mit den Wellen segeln schaut anders aus: Wer sich einmal von der alten Ansicht gelöst hat, dass Yachten, die drohen über ihre Rumpfgeschwindigkeit zu beschleunigen, unbedingt gebremst werden müssen, hat schon den Spaß erlebt, den Bug in ein Wellental zu richten und eine Yacht ins Surfen zu bringen. Galt es dort den Bug nur beharrlich unten zu halten, ändert sich das am VO70 wieder. Da die Energie aus dem scheinbaren Wind kommt und der gering wird, wenn sich der Bug in die nächste Welle bohrt, muss nach dem Angleiten der Bug wieder aus dem Wellental genommen werden und es geht schräg die Wellen hinunter. Dadurch steigt der scheinbare Wind und das Schiff kann wieder beschleunigen, was wiederum den scheinbaren Wind erhöht, wodurch das Schiff ... und so weiter. Wichtig nur: beherzt dicht nehmen, der Kippkiel machts möglich. Klingt toll, ist es auch, allerdings die Dauer der Begeisterung davon abhängig, wie lange Seglerin und Segler im Dauerfeuer des Wasserwerfers, den der Bug aufwirft, stehen möchten. Bisher ist die Begeisterung bei mir noch nicht verflogen, wird sie auch so schnell nicht. Weiterer Nachteil: ein derart segelndes Boot wirkt sich nachteilig auf die Lebensumstände an Bord aus. Essen kochen ist mühsam, Hygiene schwierig, Gemütlichkeit unmöglich; ein reines Sportgerät das unbändigen Segelspaß bietet.
Weiterer kleiner Nachteil: Das Gewicht der Segel. Gibt bei einem VO60 die Zahl auf den Segeln gleichzeitig zum Einsatzzweck (z.B. Genua 2 für Leichtwind) noch einen Hinweis darauf, wie viele Crewmitglieder das Segel am besten tragen, stimmt das hier nicht mehr so ganz. Die Zahl wird zu diesem Zweck besser verdoppelt.
Lustiges Segelspiel mit einer vo70 Yacht: Wettfahrten mit Frachtschiffen, interessant allerdings nur mit den Fähren oder den Containerschiffen, andere sind eher Opfer als Gegner.
Aufwecken zum Wachwechsel: ganz einfach das Backstag langsam zwei Zentimeter fieren. Von den sieben Tonnen Zug verliert man nicht viel, aber das Geräusch im Schiff ist so arg, dass sicher keiner mehr schläft. Wer unter der Winsch geschlafen hat, fällt eventuell wegen Gehörschaden oder, nach mehrmaligem Wecken, wegen psychischer Schäden aus.
Zu lernen gab es auf jeden Fall eine Menge, befinden wir uns beim neuen Boot doch gerade bei der Entwicklung der Details. Vieles konnte ich auf der ehemaligen „Black Pearl“ ausprobieren, erfahren und mir überlegen. In den nächsten Tagen bin ich bei Rob Humphreys und Green Marine, um weiter an den Details unseres neuen Bootes zu feilen.

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