Meisterleistung
Was assoziieren Sie mit Quarantäne? Vogelgrippe, Isolation, Maul- und Klauenseuche, Sperrzeit, Tuberkulose? Dann sind Sie in guter Gesellschaft; der Begriff löst wohl kaum positive Gefühle bei der Normalbevölkerung aus. Und jetzt raten Sie mal, wie der internationale Segelverband ISAF die Zone bezeichnet, in der sich Boote und Segler vor dem Medal Race beim Olympischen Test-Event aufhalten müssen, jener finalen, kurzen Wettfahrt mit doppelten Punkten, in denen es meist ums Ganze geht? Richtig, Quarantäne-Zone. Das ist *Ironie an* eine Meisterleistung der Rahmung *Ironie aus* und lässt tief blicken.
Was bedeutet Rahmung? Sie ist, das wissen wir aus unterschiedlichen Forschungsergebnissen, enorm wichtig für die Interpretation von und Handlung in Situationen. Menschen, die zunächst Geldscheine zählen und dann ohne unmittelbaren eigenen Nutzen helfen sollen, tun das weniger häufig als Personen, die vorher nur leere Papierblätter gezählt hatten. Vieldeutige Situationen werden je nach vorhergehender Rahmung als Bedrohung oder Chance gesehen. Was, bitte schön, will die ISAF mit einem solchen Label bei Seglerinnen und Seglern, Trainern, Publikum und Medienleuten auslösen? Leistungssteigerung aus Angst? Vieldeutige Absonderung vom Normalen? Achtung, Gefahr? Wenn ja, wovor? Mir scheint dieser Begriff jedenfalls völlig unangemessen.
Dazu kommt: Wer eine so aufregende, spannende Situation wie das Medal Race mit Quarantäne verbindet, der lässt tief blicken. Man muss kein besonderer Wizzard der Textinterpretation sein, um ein seltsames Rollenverständnis mehr als nur durchschimmern zu sehen: Auf der einen Seite das potenziell Gefährliche, Nicht-Berechenbare, Unbeherrschbare, auf der anderen Seite diejenigen, die aus einer Position der Expertise und Macht streng kontrollieren, aber auch wieder frei geben. Was sagt das über das Bild der Aktiven, über die Vorstellung von der eigenen Funktion? Das möchte ich lieber nicht weiter denken …
Spin-Doktoren und plumper Marketing-Jargon sind mir an sich ein Greuel. Aber hier würde ich Spezialisten herbeisehnen, die dieser Situation ein neues sprachliches Gewand verpassen. Selbst einem wenig kreativen Geist wie mir fallen Bezeichnungen wie ‚Arena of the Champions‘, ‚Medal Area‘ oder ‚Plaza of Honor‘ ein. Sicher nicht das Gelbe vom Ei, aber allemal besser als siehe oben. ISAF, bitte ändern!