Verachtet mir die Grundlagen nicht

The Ocean Race, Den Haag, 15. Juni, 18:33 CEST: Der große Favorit für den Gesamtsieg, 11th Hour Racing Team mit US-Skipper Charlie Enright, wird in einer simplen Backbord-Steuerbord-Situation am direkten Anlieger zur Bahnmarke von Guyot – Team Europe unter Benjamin Dutreux klassisch abgeschossen. Zum Glück wird niemand verletzt, obwohl sich das Bugspriet von Team Europe tief ins Innere der anderen Yacht bohrt, knapp neben die Arbeitsplätze von Skipper und Crew. Nichtsdestotrotz folgenschwer: Beide Teams müssen aufgeben. Besonders pikant: Die US-Amerikaner hatten dem europäischen Team nach dessen Mastbruch ihren Ersatzmast fürs Comeback zur Verfügung gestellt.

Szenenwechsel auf den Lake Michigan. Letzter Tag der ersten Station in der vierten Auflage der SailGP-Series vom 16./17. Juni vor dem Navy Pier in Chicago. Das große Finale der besten drei F50-Katamarane – der Gesamtsieger der letzten Serie, Tom Slingsby aus Australien, Peter Burling aus Neuseeland und Phil Robertson aus Kanada – ging bei nervenzerfetzenden 3–4 Knoten mit einem Sieg der neuseeländischen Crew zu Ende. Die sonst rasant foilenden Ungetüme bewegten sich schneckengleich um den Kurs, Leichtwindsegeln der reinsten Sorte, Crewmitglieder vorne am Schwimmer, die Fock mit der Hand fast direkt am Schothorn haltend.

Was wir daraus lernen? Grundsätzliches ist selbst bei Veranstaltungen dieser Güte oftmals entscheidend. Regel 10 (ehemals: „Backbord vor Steuerbord“, jetzt „Boot mit Wind von Backbord muss sich freihalten“) bekommen wir von Beginn an eingebläut – schau unter dem Großbaum, hinter der Fock, um den Code Zero herum, wenn du mit Wind von Backbord fährst. Und trotzdem passiert auch bei Spitzenereignissen ein massiver Fehler. Bei 3–4 Knoten rausdümpeln, um in Ufernähe ein paar Trainingsstunden zu absolvieren, scheint uns oft verschwendete Zeit zu sein. Und trotzdem werden auch bei solchen Bedingungen Spitzenevents durchgeführt und entschieden.

Daher: vorwärts zurück zu den Grundlagen – auch für die Besten.

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